Raketenflugplatz-Berlin Im Herbst 1919 wird Valier's astronomische Doktorarbeit abgelehnt: "Da Verfasser Verfechter der Hörbigerschen Irrlehre ist, für Promotion nicht seriös genug." Enttäuscht fährt Max Valier fort, Vorträge über die Welteis- lehre und auch über die Lehren eines indischen Gurus zu halten und veröffentlicht einen steten Strom von Artikeln über diese Themen, sowie einige Zukunftsromane. Nach der Heirat mit der zwanzig Jahre älteren Hedwig Bucek zieht die kleine Familie (mit ihrer 17-jährigen Tochter Hanni) dann 1922 nach München um. Begeisterung für Raketen Dort entdeckt er im Januar 1924 zufällig in einem Buchladen etwas, das seinem Leben eine neue Richtung geben soll. Valier kauft sich sofort die Ausgabe von Hermann Oberth's Buch "Die Rakete zu den Planetenräumen". Schon wenige Tage später schreibt Valier dem Herausgeber, er werde Vorträge halten und Artikel zu Oberth's Theorien veröffentlichen. Dadurch möchte er etwas Geld zusammen- bringen, damit Oberth mit Experimenten anfangen könne. Außerdem schlägt er vor, gemeinsam mit Oberth ein allgemeinverständliches Buch über Raketentheorie zu verfassen. Oberth stimmt zu. Valier hat dabei die Hoffnung, eine Mondlandung würde Beweise für die Welteislehre erbringen. In einem Schreiben an Oberth vom April 1924  teilt ihm Valier seinen Vorschlag über ein mögliches Raketenprogramm in Stufen mit: Zuerst Erprobung des Triebwerks am Teststand, dann auf Eisenbahnwagen, später an Propellerflugzeugen, dann an reinen Rak-Flugzeugen und schließlich Einbau in eine wirkliche Weltraumrakete. Oberth bleibt skeptisch, er will lieber ohne Umweg eine Weltraumrakete bauen. Nach dem Erscheinen seines populären Buches "Vorstoß in den Weltenraum" und unzähligen Artikeln über Raketenflug, propagiert Valier ab Frühjahr 1925 die Idee der Gründung eines Zusammenschlusses aller Raketen-Begeisterter. Er möchte die Kräfte bündeln um endlich Fortschritte zu er- zielen. Nach zwei Jahren voller Aktivitäten für die Idee des Flüssigkeits-Raketenmotors und jeder Menge Informations- austausch mit Oberth und anderen Raketen-Enthusiasten, hat Valier noch immer keinen Finanzier oder eine einzige Reichsmark für Oberth aufgetrieben.  Eigene Versuche mit Feststoffraketen Ab April 1925 beginnt Valier daher mit der Vorbereitung von eigenen praktischen Versuchen mit Feststoffraketen. Valier in einem Brief an Oberth: "Ich werde also in nächster Zeit mit einer im Bau von Feuerwerksraketen erfahrenen Firma Fühlung zu nehmen versuchen". Dies tut er dann auch einen Monat später mit einer Firma in Augsburg. Im September 1925 trifft sich Valier zu einer Unterredung mit Vertretern der Junkers Flugzeug-Werke in Berlin. Prinzipielles Interesse am Flüssigkeits-Raketentriebwerk wird bekundet, doch müsse erst einmal die grundlegenden Fragen bezüglich der Funktion geklärt werden. Bei der Besprechung sind auch Vertreter der sowjetischen Junkers-Motoren-Werke anwesend. Aber Junkers entscheidet sich, das Forschungsprogramm Valier's nicht zu finanzieren. Ein Jahr lang versucht Valier danach erfolglos andere Geldquellen zu erschließen. Nachdem er an den Weltkriegs-Flieger und Besitzer einer kleinen Flugzeugfabrik Ernst Udet geschrieben hatte, treffen sich beide im September 1926. Nach einem Rak-Modell- flugzeug mit 3 Metern Spannweite, soll ein kleines bemanntes Rak-Flugzeug gebaut werden. Ab Sommer 1927 will Udet den Höhenflugweltrekord brechen und schliesslich eine Stunde in den Weltraum vorstossen. Auf der Suche nach Geldgebern für dieses Projekt hat Valier mehr als 1000 Briefe geschrieben - wieder ohne jeden Erfolg. In der Zeitschrift "Die Rakete", herausgegeben von Johannes Winkler, wird im Mai 1927 die Gründung des "Verein für Raumschiffahrt" angekündigt. Valier kündigt seine Mitarbeit im Verein und in der Zeitschrift an. Hermann Oberth dagegen bricht wenig später jeden Kontakt zu Valier ab, nachdem dieser ihm mitgeteilt hatte, er werde alle eingesammelten Spenden für seinen eigenen Lebensunterhalt verwenden müssen. Am 5. Juli 1927 wird der "Verein für Raumschiffahrt" (VfR) in Breslau gegründet. Johannes Winkler wird Vorsitzender, Valier, der die Gründung initiiert hatte und dem man diesen Posten angetragen hatte, lehnt wegen seiner Vortragsverpflichtungen ab. Valier wird aber in den Vorstand gewählt. Die nächste Ausgabe der "Rakete" berichtet, außer der Zusammensetzung des VfR-Vorstandes, dass Valier noch diesen Sommer versuchen werde, den Höhenweltrekord mit einem Raketen-Flugzeug zu brechen. Valier’s “Raketen-Rummel” Das Glück scheint nicht auf Valier's Seite zu sein. Bis zum Ende 1929 versucht er mit pulvergetriebenen, oft auch unbemannten, Schlitten, Schienenwagen oder kleinen Wägelchen in den Nachrichten zu bleiben. Sogar zu zwei neuen Versuchen, ein von Raketen getriebenes Flugzeug zu schaffen, tut er sich mit kleinen Flugzeugproduzenten zusammen. Raketenautos Nachdem alle diese Pläne gescheitert sind antwortet unerwartet einer der reichsten Menschen Deutschlands auf Valier's Brief: Fritz von Opel. Sie treffen sich im Oktober 1927 und einigen sich auf ein Forschungsprogramm bei dem Feststoffraketen Autos antreiben sollen, Ziel ist es den Welt- Geschwindigkeitsrekord für Bodenfahrzeuge zu brechen. Später sollen die Feststoffraketen in Flugzeuge eingebaut werden, parallel dazu soll ein Raketenmotor für flüssige Treibstoffe entwickelt werden. Dem Team schliesst sich, der durch von Opel eingeladene Friedrich Wilhelm Sander, Besitzer einer Fabrik für Pulverraketen, an. Ab Anfang Januar 1928 beginnen Valier und Sander mit einer Testreihe zur Untersuchung der Leistungs- fähigkeit von Feststoffraketen. Zur Enttäuschung von Max Valier sitzt bei der ersten Versuchsfahrt eines Opel-Raketen-Wagens am 13. März 1928 bei Rüsselsheim der Opel-Versuchsfahrer Volkhart  hinter dem Steuer.  Die weitere Zusammenarbeit durch Valier und von Opel ist seitdem von ständigen Meinungsverschiedenheiten geprägt. Die Kooperation wird beendet bevor im Mai 1928 das neue Opel Raketenauto auf der Berliner Avus gezeigt wird. Valier ist bei dem Ereignis nur als Gast anwesend und nicht länger an den Projekten beteiligt. Angeregt durch frühere Information von Valier, beginnen Sander und von Opel im Juni 1928 die Entwicklung eines Flüssigkeits-Triebwerkes für das Projekt einer Ärmelkanal- Überquerung. Im April 1929 startet Sander schließlich zwei Flüssigkeitsraketen von seinem Wilhelmshafener Werk, beide fliegen weiter als geplant und verschwinden nach dem Start. Im Sommer 1929 wird der hölzerne Rumpf  eines GMG II Flugzeuges für den Einbau des Flüssigkeitstriebwerkes umgebaut und erfolgreiche Testläufe auf der Opel Rennbahn bei Rüsselsheim durchgeführt. Das Triebwerk arbeitet zufriedenstellend, doch wird der Rumpf bei einem Transport zerstört. Alle Arbeiten am zweiten Flüssigkeitstriebwerk der Welt, nach Goddards Start von 1926, werden abgebrochen nachdem Fritz von Opel Deutschland nach dem "Schwarzen Freitag" verlassen muss. Max Valier - er gab sein Leben für die  Raumfahrt Max Valier wird am 9. Februar 1895 in Bozen, im südlichen Österreich nahe der italienischen Grenze geboren. Sein Vater der Bäcker Edmund Valier verstirbt ein Jahr später. Seine Mutter Olga heiratet 1900 einen deutschen Kaufmann und bringt später Martha, die Halbschwester von Max zur Welt. Max geht nicht mit seiner Mutter, er wird von seiner Großmutter mütterlicherseits in Bozen großgezogen. Im Jahr 1908 erhält der scheue Teenager Max ein Amateur- Teleskop geschenkt. Seit dem ist er Zeit seines Lebens von der Astronomie begeistert. Schon bald beginnt er seine Karriere als Autor mit dem Verfassen von astronomischen Artikeln für die Schülerzeitung. Ab Oktober 1913 nimmt Max an der Universität Innsbruck das Studium von Astronomie, Mathematik, Physik und Meteorologie auf. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird er nach dem Ende des Wintersemesters im Februar 1915 zur Musterung bestellt. Als Student wird er als Offiziersanwärter eingestuft und zur Grundausbildung nach Brixen verlegt. 1916 wird Max zu einem technischen Kurs an der meteoro- logischen Anstalt "Hohe Warte" nahe Wien abkommandiert. Dort schliesst er Freundschaft mit Paul Hörbiger und kommt so mit der "Welteislehre" des Vaters Hanns Hörbiger in Berührung, nach der die meisten Himmelskörper aus Eis bestehen sollen. Zum Einsatz als Meteorologe wird er an die Ostfront ver- setzt. Dort springt er einmal mit dem Fallschirm aus seinem Ballon ab, den ein russischen Flugzeug abgeschossen hat. Nach seiner Ernennung zum Leutnant im Herbst 1917 wird Max Valier zu einer Flugzeugerprobungseinheit nach Wien versetzt. Dort besucht er oft das Haus der Hörbigers. Bei einer Diskussion über die Welteislehre verspricht er, ein Buch, verständlicher als ein bereits erschienenes Werk von Hörbiger selbst, über diese Theorie zu schreiben. Nachdem er bei einem seiner Testflüge einen Absturz überlebt hat, geht der Krieg schließlich zu Ende. So nimmt Valier im November 1918 sein Studium in Wien wieder auf. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich dabei mit Vorträgen und Veröffentlichungen. Seine Unfähigkeit zu wirklicher Teamarbeit mit anderen starken Persönlichkeiten lassen aber alle diese Ver- suche ohne Erfolg scheitern. Nachdem sein ganzes Geld aufgebraucht ist führt er sogar ein durch komprimiertes Gas angetriebenes Gefährt vor, dies ist wesentlich billiger als Pulverraketen zu kaufen. Opels Raketen-Rennwagen auf der berliner AVUS. Diese, ursprünglich von Valier initiierte, Veranstaltung trug viel dazu bei, den Raketen- und Raumfahrtgedanken in der deutschen Öffentlichkeit zu verbreiten. Endlich Versuche mit Flüssigkeits-Raketentriebwerken Mittlerweile ist Valier hoch verschuldet, als im Dezember 1929 endlich Gespräche bei der Firma Heylandt "Gesell- schaft für Industriegasverwertung" in Berlin-Britz zur Zusammenarbeit mit einem Industrieunternehmen führen. Man einigt sich auf die Entwicklung eines kleinen Flüssig- keits-Raketentriebwerkes. Heylandt stellt Material und Werkstatt, sowie den Ingenieur Walter Riedel und Mitarbeiter (später Arthur Rudolph) bis zu einer Höhe von 6000 Mark innerhalb von 3 Monaten. Valier muss für sein Auskommen selbst sorgen. Nach dem Beginn der Arbeiten Anfang Januar 1930, zündet das kleine aber hoch motivierte Team sein erstes Triebwerk am 25. Januar. Die Verbrennung von gasförmigen Sauerstoff und einem Alkohol/Wasser-Gemisch liefert nur einen Schub von 130 gr. Binnen fünf Tagen wird der Schub aber auf über 2000 gr gesteigert. Im Februar verlässt Valier Berlin für eine vierzehntägige Vor- tragsreise in der Schweiz. Dort trifft er sich mit dem Präsiden- ten von Shell Öl und überzeugt ihn, seine Forschungen zu unterstützen. Die einzige Bedingung ist, dass Valier Shell's Parafinöl (Kerosin) als Brennstoff benutzen muss. Anders als beim Alkohol kann dem Parafinöl aber nicht einfach Wasser beigefügt werden um die Verbrennungstemperatur zu senken. Wieder in Britz, fährt ein hölzerner Wagen am 22. März mit Valier am Steuer für 22 Minuten auf dem Werkhof von Heylandt. Angetrieben wird er durch das Alkohol/ Sauerstoff- Triebwerk (”Einheits-Ofen”) mit mehr als 8000 gr Schub. Eine Woche später fährt der Raketenwagen mit einem neuen Triebwerk für Alkohol und Flüssigsauerstoff 8 km im Kreis und erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 80 km/h. Nach etlichen Verbesserungen liefert das Triebwerk 28000 gr Schub für 10 Minuten. Die erste öffentliche Vorführung des Heylandt Raketen- autos findet am 17. April auf dem Werksgelände in Britz statt. Dies ist die weltweit erste Vorstellung eines Flüssigkeits-Raketentriebwerkes und des ersten, durch ein Flüssigkeitstriebwerk angetriebenen, bemannten Fahr- zeuges der Welt. Und der Leiter der Entwurfsmannschaft und der erste Mensch, der durch ein solches Triebwerk bewegt wird ist Max Valier. Nach all den Jahren der Anstrengungen muss dies für ihn ein Moment der Erfüllung gewesen sein. Am nächsten Tag wird diese Präsentation auf dem Flugplatz Tempelhof wiederholt, dabei fährt Valier 6 - 8 Minuten mit dem Raketenauto. Obwohl noch kein Bescheid von Shell vorliegt, beginnt Valier ab Ende April mit den Versuchen mit Paraffinöl als Brennstoff. Es kommt jetzt zu Verbrennungsstößen. Am frühen Nachmittag des 17. Mai 1930 nehmen Max Valier, Walter Riedel, Arthur Rudolph und ein Mitarbeiter die Brennversuche mit Paraffinöl wieder auf. Durch Brennstöße wird der Waagebalken beim dritten Versuch verbogen und muss wieder gerichtet werden. Nach Entzünden des Triebwerks mit einer Lötlampe durch Valier kommt es zu einer Explosion. Ein Splitter des Triebwerks trifft Valiers Lungenschlagader, er verblutet innerlich innerhalb von etwa 10 Minuten. Eine Feierstunde für Max Valier wird in Berlin abgehalten, seine Urne in München auf dem Westfriedhof beigesetzt. Das Grab des ersten Opfers der Weltraumfahrt existiert in München heute noch immer. Uwe W. Jack Bei den Heylandt-Versuchen in Britz glaubt man noch an die damals weit verbreitete Meinung, Flüssigtreibstoff-Raketen- triebwerke können nicht explodieren, ein Irrtum, den Valier mit seinem Leben bezahlen sollte. Rechts: Der Aufbau von Valiers Triebwerk mit Sauerstoffdüsen am Boden, der Wirbelscheibe und der Gegenstromeinspritzung von Alkohol ist hier gut zu erkennen. Die zylindrische Brennkammerwand mit der Düse oben sind hier entfernt. Oben: Valier und der Hersteller von Pulverraketen Friedrich Wilhelm Sander arbeiten erfolgreich zusammen. Sander baut nach Hinweisen von Valier auf Oberths Entwürfe 1929 das erste Flüsigkeitstriebwerk nach Goddard. Mitte: Seine Lebensunterhalt verdient sich Valier durch populärwissenschaftliche Vorträge, Broschüren und durch Romane. Rechts: Als Zwischenstufe zum Raumschiff sieht Valier das (Raketen-)Düsenflugzeug an. Überall im Lande tritt Valier mit immer neuen Varianten des Raketen-Themas an die Öffentlichkeit: Mit unbemanten Raketen- Schienenfahrzeugen, mit Raketenautos oder wie die beiden rechten Bilder zeigen mit einem Gasdruck-Auto. Obwohl, vom Forschungsstandpunkt aus gesehen, völlig sinnlos, bringt ihm dies doch Erfahrungen beim Bau von Brennkammern. Rudolf Nebel Wernher von Braun Klaus Riedel