Raketenflugplatz-Berlin
Museum:
Raketen im
Luftwaffenmuseum Berlin-Gatow
Vermutlich die größte Flugzeugsammlung Europas verbirgt sich
hinter diesem Namen. Nicht nur Flugzeuge, sondern auch alle
Arten von Raketen oder Teile davon zeigt das Museum.
Etwas außerhalb der Stadt Berlin gelegen, ist es auf jeden Fall
einen Besuch wert und dazu auch mit dem öffentlichen Nah-
verkehr zu erreichen. Wer sich zu einem Besuch in Gatow
entschließt, sollte die Maßstäbe, die er von herkömmlichen
Museen kennt, vergessen. Von einem Ende zum anderen Ende
braucht man eine gute halbe Stunde. Einen ganzen Tag sollte
man da schon einplanen und für seinen Fotoapparat genügend
Akkus dabei haben. Die ausgestellten Objekte wechseln
ständig, eine Auswahl zeigen wir hier:
Im Hangar 3 (Luftfahrtgeschichte) stand jahrelang diese
Spitze eines Aggregat 4 mit Sprengkopf und Steuerteil. Im
April 2018 wurde ein Teil der neugestalteten Ausstellung
eröffnet, dort fehlt dieses Exponat jetzt.
Der geschnittene Sprengstoffraum bietet einen seltenen
Einblick. Links sind Rohre für die Zündleitungen von der
Spitze zu erkennen. An der rechten Seite führt das Rohr
den Staudruck während der ersten 40 sec des Fluges zur
Druckbeaufschlagung von einer Kreisöffnung an der Spitze
zum Alkoholtank. Die überkreuz eingeschweißten Metall-
winkel sollen wohl ein Komprimieren des Sprengstoffs
beim Aufschlag verhindern. Gegen den Steuerteil unten ist
der Sprengstoffraum mit einem gewölbten Stahldeckel
verschlossen. Links: Die Türen des Steuerteils bestehen
teilweise aus Sperrholz auf einem Metallgerüst.
Uwe W. Jack
Links und unten:
Ebenfalls mit dem Walter-Prinzip des Zerfalls von
Wasserstoffperoxid wurde die Gleitbombe Henschel Hs 293
angetrieben. Ein Antriebsblock war bis 2017 im Hangar 3
gleich neben dem vollständigen Flugkörper ausgestellt.
Die Hs 293 ist übrigens das erste Fluggerät zu dessen
Produktion eine digitale Rechenmaschine eingesetzt wurde.
Ein Rechenapparat des Henschel-Mathematikers Konrad
Zuse verglich Messpunkte der einzelnen gebauten
Tragflächen, die rechts und links baugleich sind, und
errechnete welche beiden Flügel ein symmetrisches
Auftriebsverhalten zeigen würden. Dadurch flog die Hs 293
stabil und konnte auf ein Seitenleitwerk verzichten. Dafür
wäre ein zusätzlicher Steuerkanal notwendig gewesen.
Unbestrittener Star in Gatow ist der originale Raketenjäger
Messerschmitt Me 163, er stand bisher in einem Nebenraum
des Hangar 3, jetzt hängt er von Decke.
Der Triebwerksblock war separat ausgestellt und eine weitere
Brennkammer war im “nackten Zustand”, also ohne
Kühlmantel, zu bewundern.
Es empfiehlt sich eigentlich immer, in ein Museum eine kleine
Taschenlampe mit zu nehmen. Hier in Gatow konnte man sich
damit die Einspritzdüsen des Waltermotors genauer ansehen.
Sie sind als Ringspalt ausgebildet und damit direkte
Nachfahren des Einspritzverfahrens welches Max Valier und
Arthur Rudolph 1930 bei den Berliner Heylandtwerken
erarbeitet hatten. Ob das Triebwerk wieder in der neuen
Ausstellung zu sehen ist, muss sich noch zeigen.
Oben und rechts: Die Präsentation des Aggregat 4 in Mitten
eines Treppenhauses verhindert zwar ein Gesamtfoto,
entschädigt aber durch die einmalige Gelegenheit sich Stufe
für Stufe an der Rakete auf und ab bewegen zu können.
Hier sind zu sehen: Der Kettenantrieb des Luftruders (”Segel”
genannt); Die Abdampfleitung für den Flüssigsauerstoff und
daneben die Aufbewahrungsröhre für die Prüf- und Verschuß-
Dokumente dieser Rakete; eine Lüftungsöffnung auf halber
Höhe für den Tankraum im Rumpfmittelstück.
Auffällig an der gesamten Rakete ist die robuste Bauweise,
die sich aus der Forderung nach der Möglichkeit des
Straßentransportes ergab.
Oben: Das heiße Ende der Me 163, hier in Gatow ohne
eingebautes Triebwerk.
Der Antriebsblock des Walter-Triebwerks der Me 163 mit dem
Topfförmigen Dampfgenerator oben und der Turbopumpe
unten. Diese Pumpe ist der unglaublich wichtige Beitrag des
Kieler U-Boot-Konstrukteurs Hellmuth Walter zur
Raketentechnik und Raumfahrt.
Nicht öffentlich zugängig ist der Restaurierungsbereich
des Museums in Gatow. Hier finden sich unter Anderem
auch einige Tanks des Aggregat 4.
Oben sind zwei Alkoholtanks zu sehen, die vor dem
Hangar 1 lagen. Da der Bereich jetzt umgebaut wird, sind
die dort gelagerten Bauteile, Flugzeuge und Fahrzeuge
verlegt worden.
In der mittleren Reihe ist einmal ein Blick in die Tanks
geworfen: Links in den Alkoholtank, rechts in den
Sauerstofftank. Dort ist die dicke, isolierte Durchleitung für
Alkohol und die dünnere Kabel- und Prüfleitungs-
durchführung zu sehen.
Links: An der Oberseite des Alkoholtanks befindet sich
das Ventil für die Druckbelüftung von der Raketennase
aus und die gekrümmte Leitung für die Tankbefüllung.
Eine weitere Anwendung für den Wasserstoffperoxid-Antrieb
waren die Starthilfen für überlastete Flugzeuge. Eine Walter
109-500 (genannt “Kraftei”) zeigte das Luftwaffenmuseum
Berlin-Gatow bis 2017.
Das Versprechen, derartige Starthilfen für die Luftwaffe zu
entwicklen, führte überhaupt erst zur Zusammenarbeit der
Raketengruppe des Heeres unter Wernher von Braun und der
Luftwaffe. Gemeinsam wurde deshalb eine Entwicklungsstelle
in Peenemünde gegründet. Ironischerweise war dann die von-
Braun-Starthilfe viel zu kompliziert und die Luftwaffe ließ sich
von den Walterwerken in Kiel beliefern.
An der Form der Expansionsdüse der Walter HWK 109-500
lässt sich aber ablesen, dass man anfangs in Kiel keine eigene
Triebwerksentwicklung betrieben hat. Man verwendete einfach
die schon lange bekannte Lavalldüse für die erste Starthilfe
des Werkes.
Für eine Sonderschau wurden sowjetische Luft-Luft-Raketen
aus dem Depot geholt. Oben eine ungelenkte Rakete S-5, die
ihren Ursprung in der deutschen R4M schwer leugnen kann.
Unten der Antrieb eines sowjetischen Sidewinder-Nachbaus.
Im Ausstellungshangar “50 Jahre Luftwaffe” zeigt eine
amerikanische Nike-Ajax Boden-Luft-Rakete ihr Innenleben.
Der Flüssigkeitsantrieb auf Salpeterbasis leitet sich von der
Wasserfall-Entwicklung aus Peenemünde ab.
Neben dem geschnittenen Triebwerk mit den Einspritzdüsen
liegt das Brennstoff-Hauptventil. Unmittelbar darüber befindet
sich der hintere Sprengkopf des Geschosses, hier gelb
gekennzeichnet.
Links: Im Außengelände des Militärhistorischen Museums
Gatow stehen neben unzähligen Flugzeugen auch Raketen
und Flugkörper. Als Beispiel hier eine Nike-Hercules auf ihrem
Transportwagen.
Unten: Aus Angst, ein sowjetischer Erstschlag könnte die
Flugplätze der Bundeswehr ausschalten, wurde diese
Variante eines Starfighters mit einem mächtigen
Feststoffbooster zum Start aus dem Stand erprobt.