Raketenflugplatz-Berlin Rak-Depot: Zukunftsromane Eine strahlende Zukunft für Nation und Menschheit Nicht sehr überraschend, nahm die "Weltraum-Bewegung" in Deutschland sehr schnell Fahrt auf. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hatte die deutsche Gesellschaft mehr grundlegende Veränderungen im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich zu ertragen als in den meisten anderen Ländern. Nur Jahrzehnte zuvor als Nation gegründet, hatte die Bevöl- kerung Deutschlands der Zwanziger Jahre den größten und schrecklichsten Krieg aller Zeiten überstanden (und verloren), gefolgt von einer Hungersnot und Grippe, bei denen Millionen starben. Ihr politischen System hatte sich dramatisch verändert - von einem gottgegebenen Kaiserreich zu einer Demokratie, mit der Speerspitze einer neuen Weltordnung, dem Kommunismus, nebenan beim ehemaligen Nachbarn Russland. Die Frauen, während der Kriegszeit dringend für die Produktion gebraucht, hatten Selbstsicherheit gelernt und waren mit Recht stolz auf ihre neu erworbenen Fähigkeiten. Der industrielle Aufbau während des Krieges hatte den Maschinenbau und die Produktion von Konsumgütern angekurbelt. Durch die große Rationalisierung und Einführung der DIN Normen im Krieg, waren deutsche Produkte auf dem Weltmarkt günstig und von hoher Qualität und so wuchs die deutsche Wirtschaft ständig. Besonders die junge Generation erwartete eine strahlende Zukunft. Für Jahrtausende war "die Zukunft des Sohnes wie die Vergangenheit des Vaters". Jetzt versprachen die technischen und sozialen Revolutionen ein besseres Leben als das der älteren Generationen und steten Fortschritt für Jeden. Nach den Erfahrungen des Großen Krieges würde es in Europa sicher keinen Krieg mehr geben. Deutschland, jetzt ohne eigene Kolonien und mit einem vernachlässigbaren Militär, konnte seine Kräfte auf Kultur und Technologie konzentrieren. Die Entwicklung des Weltraumschiffes schien ein Bereich zu sein, in dem Deutschland einen Sprung vorwärts für die ganze menschliche Zivilisation schaffen konnte. Den Spuren der  Gebrüder Lilienthal und des Grafen von Zeppelin folgend, konnte Deutschland auch ohne Militärmacht durch Technologie wieder zu einer führenden Nation werden. Durch die Doppel-Werbung für die Rakete durch wissenschaft- liche Veröffentlichungen und Zukunftsromane, zogen beide Genres zusammen die Aufmerksamkeit derjenigen Personen und Behörden auf sich, die dann später die Rakete zur Wirklichkeit werden ließen. Eine sehr private strahlende Zukunft Einige der frühen Pioniere des "Raketenflugplatz" hatten nicht nur die Vorstellung, die Menschheit in den Weltraum zu führen, sondern auch recht irdische Ambitionen. Im Jahr 1929 war das Buch von Henry Ford in Deutschland ein Kassenschlager. Die Pioniere müssen von der Geschichte des Mannes, der einen Motor und das dazugehörige Fahrzeug erfunden hatte und so der reichste Mensch der Erde wurde, ungemein beeindruckt gewesen sein. So wurden die Raketen- Triebwerke des "Raketenflugplatz" nach dem System von Henry Ford benannt. Zum Beispiel hieß das Triebwerk für die Rakete des Magdeburg-Projekt "1,7/250", es verbrauchte 1,7 kg Treibstoff pro Sekunde und erzeugte einen Schub von 250 kp. Oberth hat sich später in einem Brief darüber beschwert, daß die Führer des "Raketenflugplatz" 1930 ein geheimes “Syndikat” abgeschlossen hatten, um die Erfindungen und Gelder die während der Raketen-Entwicklung anfielen, nur unter sich aufzuteilen und alle anderen Teilnehmer davon auszuschließen. Oberth wurde zum Mitmachen aufgefordert, lehnte aber angewidert ab. Als die deutsche Wirtschaft nach dem "Schwarzen Freitag" zusammenbrach, verloren die meisten der Pioniere ihre Arbeit und ihr Einkommen. Der "Raketenflugplatz" war dann eine Art von Auffangstation für sie, die Wohnmöglichkeit, Nahrung und Gelder aus Spenden bot. Rolf Engel, der etwa zwei Jahre lang die Buchführung auf dem "Raketenflugplatz" besorgt hatte, behauptet, dass große Mengen des Geldes aus Spendenmittel für den privaten Lebenswandel des Führungs- kreises verwendet wurden. Ohne ein eigenes Einkommen fuhren die Führer große Autos und begannen ihren Traum vom erfolgreichen Erfinder und Geschäftsmann schon zu leben, bevor sie auch nur eine einzige Rakete verkauft hatten. Andere Pioniere wie Oberth, Goddard, Valier oder von Hoefft hatten auch die Vision einmal das große Geld mit ihren Erfindungen zu machen. Daran ist überhaupt nichts Verwerf- liches. Sie versuchten ihre Erfindungen zu verstecken bevor sie diese als Patent gesichert oder reif für die Herstellung gemacht hatten. Somit hatte die Vision vom Flug zu den Sternen für die Pioniere auch immer eine starke private Komponente, die man bei der Beurteilung ihrer Handlungen mit in Betracht ziehen muss. Oben: Der Flug in den Weltraum war eines der beherr- schende Themen des deutschen Zukunftsromans der Zwanziger und Dreißiger Jahre. Oberths Mondrakete hat es sogar zur Berühmtheit auf der anderen Seite des Atlantiks gebracht. Auch die als Diskusionsforum für ernsthafte Raketen- forscher gedachte Zeitschrift “Die Rakete” brachte 1927 einen Zukunftsroman von Max Valier und einen Beitrag über die mögliche Kommunikation mit dem Mars. Oben: Davon träumten einige der Raketen-Pioniere: Direktor einer großen Raketenfabrik zu sein und von einem Chaffeur in einer Limousine gefahren zu werden. Die Bilder stammen aus dem Film “Frau im Mond”, 1929. Der vornehme Fabrikbesitzer “Wolf Helius” wird von Willy Fritsch dargestellt. Auf dem Bild oben ist ein kleiner Teil seines Werkes zu sehen, in der Bildmitte die Raketen- Montage-Halle. Oben: In Deutschland sehr beliebt waren Berichte und Romane über Großprojekte, wie hier die Absenkung des Mittelmeeres durch Schließung der Straße von Gibraltar, zur Schaffung neuen Landes. Beachtenswert bei dieser Vision von 1936 ist, daß Deutschland davon überhaupt nicht profitieren würde, wenn man einmal vom Endbahnhof der Eisenbahn Berlin-Kapstadt absieht. Mitte: Die Zukunftsstadt auf einer amerikanischen Titelseite von 1932. Beachtenswert ist die Ähnlichkeit des eiförmigen Fahrzeuges mit einem Raumschiffentwurf des 16-jährigen Wernher von Braun von 1928 (unten). Rechts: Franz Abdon Ulinski entwarf 1927 sein Weltenfahr- zeug mit Elektroantrieb und der Vision von Solarzellen. Ein Beispiel für Vorhersagen - Energie aus dem Vakuum Der österreichische Raumfahrtpionier von Hoefft hat über eine Art Raumschiff geschrieben, welches durch Kugeln mit einer kleinen Öffnung angetrieben werden sollte. Er schlug vor die "Nullpunkt-Energie des Vakuums" zu nutzen. Unter einem Vakuum verstand man zu seiner Zeit die Abwesenheit von Materie und aller Strahlung. Vakuum war die reine Erscheinungsform des Äthers, des Mediums, welches Strahlung so befördern sollte, wie Wasser die Wellen. Von Hoefft hat den Mechanismus nicht näher beschrieben mit dem er die Energie des Vakuums nutzen wollte, war sich aber sicher, damit Wasserstoff auf vielfache Lichtgeschwindigkeit beschleunigen zu können. Der durch die Öffnungen ausströmende Wasserstoff würde das Gefährt zu den Planeten befördern. Nach der Lektüre von Oberth's Buch wechselte von Hoefft bei seinen Projekten später zu dem mehr konventionellen Raketenantrieb. Die Vorstellung, daß Äther die Grundlage des Universums bildet war auch nach der Veröffentlichung von Einsteins Theorien in der wissenschaftlichen Welt weit verbreitet. Jahrzehntelang haben Wissenschaftler über den Gedanken nur gelächelt, aus "Nichts" Energie gewinnen zu wollen. Es war gegen die Gesetze der Physik. Aber die Dinge haben sich geändert. Vakuum, so wie wir es heute verstehen, ist das permanente Entstehen und gegenseitige Auslöschen von Paaren von Teilchen und den entsprechenden Anti-Teilchen. Der Physiker Stephen Hawking kam bei der Analyse extrem kleiner Schwarzer Löcher zu der Erkenntnis, daß solch ein Paar, wenn es nahe dem Ereignishorizont eines Mikro-Schwarzen Loches entsteht, einen Partner in das Schwarze Loch verlieren und den zweiten Partner in den Raum abstrahlen würde. Mikro-Schwarze Löcher strahlen also Energie im großen Maßstab ab - sie sind eigentlich "Weiße Löcher", die durch diesen Prozess verdampfen. Die Energie wird dabei direkt dem Vakuum des Weltraums  entzogen. Die "kleinen" Schwarzen Löcher über die hier gesprochen wird, haben etwa die Masse des Mount Everest und einen Durchmesser kleiner als ein Elektron. So sind Zukunftsromane zuerst Unterhaltung, können aber auch ein, oft verschwommener, Blick in die Zukunft sein, wie die vielen Mondflug-Geschichten der Zwanziger Jahre bewiesen haben. Oben: In den USA war man mit Vorhersagen weniger empfindlich. Da es viele konkurrierende Magazine gab, wurden die Titelgeschichten immer drastischer. Hier fängt 1931 eine “elektrisch gesteuerte” Rakete einen (vermutlich deutschen) Zeppelin ab. Mitte: Goddards Flugzeug mit kombinierten Propeller- Turbinen- und Raketenantrieb in einer Abbildung vom Dezember 1931 auf dem Weg zum Mond. Wernher von Braun war übrigens fleißiger Leser von Zukunftsromanen, auch aus den USA. Während des Krieges erhielt er, unter einem Decknamen, amerikanische Groschenhefte über das neutrale Schweden zugeschickt. Zukunftsromane - die Kraft der Vorhersage Auch heute noch wird der Mechanismus von richtigen Vorher- sagen in der Literatur nicht verstanden. Wie kann ein Autor einen Roman über das größte Schiff der Welt schreiben, einem Dampfer mit vier Schornsteinen namens "Titan", mit der Creme der Gesellschaft an Bord, der während seiner Jungfernfahrt, gegen eine Eisberg läuft und mitten in der Nacht sinkt - Jahre bevor auch nur ein Gedanke zur "Titanic" gedacht wurde?  (Morgan Robertson "Futility", 1898). Die Liste der richtigen Vorhersagen aus Zukunftsromanen ist lang und verwirrend, obwohl es natürlich auch einen Berg von Unsinn gibt. Nicht nur Raumfahrt, sondern auch Laserstrahlen, Fernseher, Computer, Bildtelefone, Roboter, elektronische Zeitungen, Atombomben, und vieles mehr sind in den Romanen der Zwanziger und Dreißiger Jahre vorhergesagt worden. “Weltraumschiff startet” eigentlich ein Spielfilm von 1939, aber wegen des Krieges nur zum Kurzfilm geschnitten. Rechts: Darstellungen von Außerirdischen in deutschen Romanen sind selten. Marsbewohner waren oft freundliche Menschenähnliche, die Schurken in deutschen Romanen waren eher fremdländische Erdenbewohner. Da war man in den USA schon weiter. Nicht erst seit H.G. Wells Invasion vom Mars sahen die außerirdischen Besucher nichtmenschlich aus und führten selten Gutes im Schilde. Hier auf einem Titelbild von 1926, sind die Aliens mal wieder Insektenartig. Uwe W. Jack