Nach dem Ersten Weltkrieg wirkten sich die Bestimmungen
des Versailler Vertrages auch auf Kummersdorf aus.
Waffenerprobungen waren verboten und es erfolgte im
großen Umfang die Vernichtung von Kriegsbeständen an
Munition, Spreng- und Explosionsstoffen.
Auf den Schießbahnen Ost und West begannen
Endmunitionierungsarbeiten, die hauptsächlich von
Privatleuten durchgeführt wurden. Die Räumung erfolgte zur
Gewinnung von Rohstoffen, wie Metall, Blei und Kupfer.
Durch die hohe Arbeitslosigkeit waren hunderte von "wilden
Sammlern" bis 1923 auf den Schießbahnen tätig. Im
Standesamt Sperenberg wurden 17 Unfälle mit Todesfolge
registriert.
In der Zeitung "Vorwärts" vom 30.12.1922 war unter dem
Artikel "Gefährliche Schutzgräben" zu lesen: "Und es ist ein
betrübendes Zeichen von der Not der Zeit, dass sich
hunderte und tausende dazu drängen, auf diese Weise ihr
Brot zu verdienen."
Blaubeeren suchen, Pilze sammeln,
Granaten buddeln.
In dieser Reihenfolge "ländlicher Arbeit"
spricht sich unser Elend deutlich aus.
Die Artillerie-Prüfungskommission (APK) wurde nach
Gründung der Weimarer Republik durch die Inspektion für
Waffen und Geräte (IWGE) der Reichswehr ersetzt.
1925 wurde auf Grundlage des Rapallo- und Berliner
Vertrages mit der Sowjetunion eine enge Zusammenarbeit
zwischen der Reichswehr und Roter Armee begonnen,
besonders auf den Gebieten der Panzer- und
Flugzeugentwicklung, sowie bei Gaskampfmitteln.
Von diesem Zeitpunkt an besuchten sowjetischen
Militärdelegationen regelmäßig Kummersdorf.
Mit dem Haushaltsjahr 1926 begann das 6-jährige
Ausbauprogramm für den Schießplatz Kummersdorf.
Im gleichen Jahr wurde die Zentralstelle für Heereschemie
und Physik gegründet, Leiter Karl Becker, der 1929 Erich
Schumann die Leitung übertrug.
Ziel der Zentralstellung war:
Die enge Zusammenarbeit mit Hoch- und Fachschulen, mit
der Rüstungsindustrie, Ministerien und Forschungs-
einrichtungen, wie die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft mit ihren
verschiedenen Instituten.
Die geheime Wiederaufnahme der Waffenentwicklung und -
forschung konzentrierte sich auf neue Wege, wie die
Raketentechnik.
Ab 1929 begann die Entwicklung strahlgetriebener Waffen
und die ersten Prüfstände wurden dafür gebaut.
In Kummersdorf wurde durch das Raketenreferat des
Waffenamtes die "Dralldüse" entwickelt, welche bis auf
wenige Ausnahmen bei allen Pulverraketen des deutschen
Heeres bis zum Ende des Krieges Verwendung fand.
Ab 1932 nahmen junge Doktoranden, wie Kurt Wahmke und
Wernher von Braun, ihre Forschungstätigkeit zur Entwicklung
von Flüssigkeitsraketen in Kummersdorf auf.
Zum Ende der Weimarer Republik hatte sich Kummersdorf
bereits wieder zum Zentrum der Waffenforschung auf fast
allen Gebieten des Reichsheeres entwickelt.
Dazu gehörten Kfz- und Panzertechnik, Nachrichtenwesen,
Ballistik und Munitionserprobung, Pionier- und
Eisenbahnwesen, Artilleriewaffen aller Art sowie der Hunde-
und Brieftaubendienst.
Ein umfangreiches Schulungsprogramm für Offiziere mit der
Bezeichnung "Kursus für Waffenlehre" wurde erstellt. Dieser
Kurs dauerte im allgemeinen 2-3 Tage.
Ab 1933 wurde diese Entwicklung mit der Bereitstellung
weiterer finanzieller Mittel unterstützt und der Ausbau von
Kummersdorf weiter vorangetrieben.
1936 beginnt der Bau der Heeresarbeiter-Siedlung - am 12.
April 1937 fand die feierliche Einweihung statt.
1939 leben in Kummersdorf bereits über 1400 Einwohner,
heute sind es etwa noch 450.
Im gleichen Jahr begann der Bau der neuen
Kraftfahrversuchsstelle mit einem umfangreichen
Versuchsgelände zur Fahrzeugerprobung in den
Schlagebergen bei Horstwalde. Die in den 40er-Jahren
zugrunde gelegten Standards für Rad- und Kettenfahrzeuge
haben heute noch Gültigkeit.
An der alten Straße von Kummersdorf nach Gottow finden wir
auf der rechten Seite einen Komplex von Gebäuden, Laboren
und Prüfständen, der etwa eine Fläche von 800 x 300 m
einnimmt - die Versuchsstelle Gottow.
Dies sei "die beste Forschungseinrichtung und die mit
modernsten wissenschaftlichen Hilfsmitteln ausgestatteten
Laboratorien" schrieb Prof. Dr. Erich Schumann in "Wehrmacht
und Forschung" 1939.
Am 15. Juni 1939 wird das Referat Kernphysik gegründet.
Es wird bereits an einer eigenen für Kernphysikalische
Experimente bestimmten Versuchsanlage gearbeitet.
Dr. Kurt Diebner (13.05.1905 - 13.07.1964) wurde
Referatsleiter.
Der Versuch G III (Uranwürfel-Anordnung im Zylinder) war die
Grundlage für den letzten Versuch von Werner Heisenberg und
seiner Mannschaft im Haigerloch 1945.
Dieser Versuch spiegelt jedoch nicht den wirklich erreichten
Entwicklungsstand im deutschen Atomprogramm wieder, wie
im allgemeinen behauptet wird.
Es werden noch Jahrzehnte vergehen, bis sich die Archive in
Russland und den USA zu diesem Thema öffnen, wenn
überhaupt jemals.
1944 entstehen zwei Panzer vom Typ "Maus" in
Kummersdorf, Projekt Porsche Nr. 205. Eine "Maus" hatte ein
Gesamtgewicht von 188 Tonnen und ist damit der größte
bisher gebaute Kampfpanzer der Welt.
1945 war aber die militärische Nutzung noch nicht beendet.
Etwa 1957/58 begann der Bau des Flugplatzes in
Sperenberg, der für das Oberkommando der sowjetischen
Streitkräfte in Deutschland von großer Bedeutung war.
Mit dem Nato-Raketen-Doppelbeschluss von 1982 wurde die
Versuchsstelle Gottow noch einmal zu einem Hoch-
sicherheits-Gebiet ausgebaut und mit modernsten
Waffensystemen ausgestattet.
1994 kam dann das Ende der militärischen Nutzung für die
Orte Sperenberg, Rehagen und Kummersdorf-Gut. Eine zivile
Nutzung wurde nicht umgesetzt. Ständige Kontroversen
zwischen dem Bund und dem Land Brandenburg führten zu
systematischen Verfall von Gebäuden und wertvollen
Baudenkmalen, wie z.B. den Raketenprüfständen.
Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass der Erhalt der
historisch wertvollen, denkmalgeschützten Gebäude
wahrscheinlich nie wirklich vorgesehen war und nur als
Alibifunktion diente. Als Beispiel ist hier besonders das
Offizierskasino in Kummersdorf-Gut zu nennen. Im Jahr
2000 hätte man noch ein Museum einrichten können, heute
ist es abrissreif.
70 Jahre der deutschen Waffentechnik-Geschichte wurden in
Kummersdorf mitgeschrieben und wenn man die erreichten
Ergebnisse in der Raketen- und Atomforschung zu Grunde
legt, nach 1945 auch ein Stück Weltgeschichte.
Deshalb soll diese Homepage von DAEDALUS und
der AG ZEITGESCHICHTE dazu beitragen, dass nicht alles
in Vergessenheit gerät und der interessierte Besucher dieser
Seiten einen kleinen Überblick über die technische und
geschichtliche Entwicklung erhält.
AG-Zeitgeschichte
Historischer Abriss von Kummersdorf