„Um nicht unnötig Zeit und Material durch Versuchsschießen
auf freier Schießbahn zu vergeuden, wurde nach Konstruk-
tionsunterlagen des Referenten auf der Nebenbatterie Ost
ein Prüfstand gebaut, der nach einigen Umbauten seinen
Zweck (Untersuchung verschiedener Treibmittel,
Treibmittelanordnungen und Düsenformen auf Schubkraft
und Drehmoment) voll erfüllte.“
Oberst Becker in: Sitzungsbericht 30. Januar 1932 zur
Raketenfrage, BArchFreiburg, RH8/991b
„Zwischen den beiden KummersdorferSchießbahnen,…, lag
die Versuchsstelle West. Dort erstellten wir neben dem
schon vorhandenen Pulverraketenprüfstand die ersten zwei
Baracken[PI] für das neue Arbeitsgebiet und den ersten mit
allen zweckmäßig erscheinenden Mitteln der
Meßtechnikausgestatteten Prüfstand für die
Flüssigkeitsraketenentwicklung Deutschlands [PII]
überhaupt.“
Dornberger: V2 –Der Schuß ins Weltall, Bechtle 1952
Kummersdorf: Die Raketen-Prüfstände P I und P II
Ausschnitt der Lagekarte aus:
Walter Riedel: Lageplan der Prüfstände PI –PIV, FL.E.7 A,
BArchFreiburg, RH8/4000K
Lagekarte P I mit Ergänzungen durch Thomas Breit.
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Zustand des Prüfstand P I im Jahr 2012.
Die Beobachtungsschlitze sind deutlich zu erkennen.
Hier wurden Pulver- bzw. Feststoffraketen erprobt.
Alle Teile des Gebäudes, welche nicht aus Beton
bestanden, wie eine Holzbaracke oder Holzdächer sind
nicht mehr vorhanden.
Tomas Breit:
Begrenzt wurde PI durch eine, circa vier Meter hohe
Holzbohlenwand in westlicher Richtung (schraffiertes
Element im Lageplan) und eine nördliche Begrenzung,
wahr-scheinlich mit Panzerplatten beschlagene
Holzbohlenwand, die niedriger als die westliche Wand war
Auf dem Prüffeld I – Ia wurden zwei Baracken
(wahrscheinlich in der Heeres-Standart-Ausführung)
errichtet. Auf umgebauten Maschinengestellen wurden die
Prüfapparaturen samt horizontal aufgebauter Pulversätze
getestet. Beobachtet wurden diese Versuche über eine
Schräg-Beobachtungsstand. Im Lageplan sind weitere
Beobachtungsstände, bzw. Baracken angedeutet, jedoch
wurden diese nicht realisiert.
Vermutlich ab 1935, als die Entwicklungsarbeiten des
HWA zu den P.-Raketen sehr intensiviert wurden (u.a. die
Entwicklung der rauchlosen Pulver), wurde der Bereich
durch langlebige Betonprüfstände (die heute z.T. noch
erhalten sind) ersetzt. Viele Brände und Explosionen
machen diesen Ausbauschritt ebenfalls erforderlich.
Raketen-Prüfstand P II
Tomas Breit:
Nach der Vorführung der „Einstaber“-Rakete am 22. Juni
1932 durch die Gruppe des „Raketenflugplatzes Berlin“
beim HWA in Kummersdorf, legte Becker bereits fünf Tage
später einen Entwurf für einen Betonprüfstand vor.
Gemäß diesem Entwurf wurde ein Prüfstand auf der
Versuchsstelle West, neben PI realisiert, die Fertigstellung
war im September 1932.
Der „Erstnutzer“ war wahrscheinlich Kurt Wahmke, der in
seiner Dissertation dazu vermerkte: „Im September erfolgte
der Umzug in den neuen Prüfstand II, der gleichfalls
Zeitverluste mit sich brachte.“ Parallel wurde PII auch zu
Versuchen mit Pulver-Raketen benutzt.
Im November 1932 wurde Wernher von Braun ebenfalls
diese Hälfte des PII zur Nutzung zugewiesen, mit den
steigenden Versuchstätigkeiten musste Wahmke auf einen
„nur aus panzerplattenbeschlagenen Bohlen und Brettern
errichteter Prüfstand“ ausweichen. Auf diesem Prüfstand
ereignete sich am 16. Juli 1934 der tödliche Unfall von
Wahmke, Friedrich Wilhelm Völlmeke und Alvin Conrad.
Von Braun entwickelte auf PII zunächst die Brennkammer
des Typ 1 (140 kp Schub). Typ 2 (300 kp), der in den
Aggregaten 1 und 2 in Anwendung kam, konnte bis Ende
1933 in einen relativ betriebssicheren Zustand gebracht
werden.
Im Laufe des Jahres 1933 wurde das Aggregat 1 durch
von Braun konstruiert. Vier Exemplare standen Ende 1933
bereit. Alle explodierten bei Zündversuchen Anfang 1934
auf PII. Grund hierfür war der ungenügend ausgeführte
Zündmechanismus („Abreißstange“), bei der die
Sauerstoffzufuhr zu „hart“ erfolgte und die Aggregate
dadurch explodierten.
Oben: PII, Frühjahr 1934, am linken Bildrand [Pfeil] kann
man die ca. 4 m hohe Holzbohlenwand (Abtrennung zum
PI sehen (siehe schraffiertes Element im Lageplan).
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Rechts: Frühe Version des Aggregat 2 auf PII, nach dem
Umbau im Frühjahr 1934, Ansicht aus Norden.
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Bei diesen Explosionen wurde das Prüfgerüst und die
Prüfraum-Peripherie derart beschädigt, dass eine
Reparatur nicht mehr erfolgen konnte, zumindest konnten
keine Dokumente mit diesem „alten“ Prüfgerüst nach den
A-1-Versuchen gefunden werden.
Während der laufenden A-1-Versuche stieß im Januar
1934 Walter Riedel zum HWA hinzu. Die große praktische
Erfahrungen Riedels (der zuvor die Aufträge des HWA bei
Heylandt bearbeitete) beeinflussten die Konstruktion des
Aggregates und u.a. die Prüftechnik am PII:
Riedel legte bereits am 20. Februar 1934 einen Entwurf
vor, indem die Abgase in einem Kanal senkrecht unter
dem Prüfling (Pfeile nach unten) unter das Bodenniveau
geführt, dort geteilt und an den inneren Seitenwänden des
Prüfstands hoch geleitet werden (Pfeil nach oben). Riedel
konstruierte ebenfalls das neue Prüfgestell, welches in der
Dissertation: „Das Prüfgestell nach dem Umbau“, zu
erkennen ist.
Des Weiteren wurde der Beobachtungsraum neu
ausgerüstet und ein zentraler Beobachtungskasten in die
Zwischenwand zum Prüfraum eingefügt.
Die wichtigste Feststellung „nach dem Umbau“ im
Frühjahr 1934: Prüfstand II ist nicht mehr geteilt und steht
nun komplett der Flüssigkeitsraketenentwicklung zur
Verfügung.
Das Modell des P II von Thomas Breit zeigt deutlich das
Schiebedach und die Falttore, welche für Versuche
geöffnet werden können.
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Im Modell des P II ist die Situation wie oben auf dem
Originalfoto nachgestellt.
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Das Aggregat A1 - es ist nie geflogen.
Das Aggregat A2 in der
Außenansicht und im Schnitt
(rechtes Bild).
Zwei Exemplare des A2 wurden
im Dezember 1934 erfolgreich
gestartet.